Ein Uhr nachts, die Kabine ist mysteriös und dunkel. Ich lerne viel von meinem Nachbarn. Er zieht sich die Socken aus, rollt sie in zwei gleichgrosse Ballen und verstaut sie in einer Ecke seines Sitzes. Er weiss wie man die 1001 Knöpfe auf der Armlehne bedient, er zeigt mir wie man, aufrecht sitzend, komfortabel und geborgen sein kann, als säße man vor einem knisternden Kaminfeuer. Es gibt genug Platz seine Füße zu strecken, fast ausgedehnt zu schlafen,  mal ein Bein mittels Vordersitz hoch anzuwinkeln. Halb liegend, halb sitzend richtet sich also mein Blick zur Kabinendecke, leicht blau, der einzige Ankerpunkt das Toilettensymbol, auf dem ein Mann und eine Frau emotionslos jeweils rechts und links von einer Wand stehen, die sie bewegungslos vonenander trennt. Ein nützliches Symbol, aber zu dieser Stunde doch etwas traurig. Vielleicht sollten sie die Herzgeste machen wie asiatische Instagrammer. Von rechts flackert es unregelmaessig, jemand sieht sich einen Film an. Kurioserweise hat diese Frau ihre Arme ueber den Kopf gehoben und schwingt diese wie eine Tänzerin grazioes nach hinten und nach vorn, langsam, wie eine Tänzerin, einstudiert. Sie sorgt sich wohl um ihren Kreislauf aber mic versetzt der Schatten der Hände in eine Art Trance. Seit einer Stunde sehe zu, wie sie mit gleichbleibender Geschwindigkeit in das zarte Blau der Kabinendecke greifen, mehr erahnt als sichtbar, ausser wenn ein Netflix Blitz sie ins Rampenlicht des Bewusstseins stellt, digitales Ballett und nächtlicher Spuk. Absolutes Regelmaß, wie Musik, durch das Spiel der Perspektive wachsen sie von kleinen Schattenwurzeln dort, wo die Lichter für die Passagiere in die Decke eingefassst sind, zu langen, schlanken Schlangen, Fürsten der Kunst des Windens und Wogens. Was ist das? Denke ich bei mir, Poesie, Langeweile oder Irrsinn? Ich hatte Sake, den ersten schlechten Sake meines Lebens auf entzückende, einstudierte Weise serviert, wie Tänzerinnen wogen auch sie, die Stewardessen, durch den Gang. Man hat das Gefühl dieses sichere Wellen von Höflichkeit und Eleganz könne ganz von selbst alle Turbulenzen des Flugzeugs neutralisieren. Es gibt automatische Systeme in den Bordcomputern, die das machen, aber bei den Japanern können das auch Menschen. Ich wollte schlafen in diesem kühlen Blau, höre Hildegard von Bingens Werke, die direkt aus dem Mittelalter Ruhe, Weiblichkeit und jene Sicherheit vorführen, die überzeugte Menschen haben, von ihren eigenen Träumen überzeugte Menschen. Und so kümmern sich diese Damen yu zartblauer Musik um alles. Ob sich eine von ihnen vorstellt, dass sie Träume bewirkt? Jemand sieht sie als Verkörperung aller musischen Fähigkeiten beim Eingießen von Wasser oder Geradestreichen eines Vorhangs, für jemanden anderen stellen sie Berufswunsch und Selbstbild dar oder das Versprechen von Technologie, dem Menschen unendliche Möglichkeiten des Wirkens und Wachsens zu eröffnen.